Wie fleißig sind unsere Abgeordneten?

Welcher Abgeordneter aus Baden-Württemberg fehlte am häufigsten bei Abstimmungen, wer hielt die meisten Reden? Für die Abgeordneten-Bilanz auf schwäbische.de habe ich wenige Wochen vor der Bundestagswahl Tausende öffentlich zugängliche Datensätze aus dem Informationssystem des Bundestags sowie von der Internetplattform abgeordnetenwatch.de ausgewertet und diese anschließend auf einer Karte visualisiert.

Update: Die Karte funktioniert leider inzwischen nicht mehr.

Die wohl wichtigste Erkenntnis: Wer kein Mitglied einer Regierungsfraktion ist, hat mehr Zeit. Denn Oppositionspolitiker sind im Bundestag in der Regel die aktiveren Fragesteller und die fleißigeren Redner – nicht zuletzt, um ihre Fraktion ähnlich sichtbar zu machen wie die zahlenmäßig überlegene Konkurrenz.

Annette Groth ist am aktivsten

Beispiel Annette Groth: Die Linken-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Bodensee war an 900 Kleinen Anfragen beteiligt. Kleine Anfragen dienen der parlamentarischen Kontrolle der Regierung, entsprechend selten werden sie von Politikern der Großen Koalition eingebracht: Union und SPD bringen es im Schnitt gerade einmal auf zwei Anfragen pro Abgeordnetem.

Mit mehr als 1100 dokumentierten Aktivitäten ist Annette Groth zugleich die umtriebigste Oppositionspolitikerin aus dem Südwesten. Beim Thema namentliche Abstimmungen sieht es für ihre Partei hingegen weniger rosig aus: Michael Schlecht aus Mannheim fehlte bei jeder dritten Abstimmung. Auf Nachfrage nennt er häufige Krankheitsfälle als Grund: „Insbesondere hatte ich im letzten Sommer einen Unfall und es dauerte relativ lange bis ich dann zum Ende letzten Jahres nach Reha wieder laufen konnte und reisefähig war.“ Der 66-jährige Gewerkschaftler ist inzwischen pensioniert. Im September tritt er in seinem Wahlkreis nicht mehr an.

Grünenpolitikerin fehlt häufig

Auch Kerstin Andreae aus Freiburg, Vize-Fraktionschefin der Grünen und den Zahlen nach die am wenigsten aktive Oppositionspolitikerin, hat mit 22 Prozent eine vergleichsweise hohe Abwesenheitsquote und fehlte sogar häufiger als Grünen-Chef Cem Özdemir (19 Prozent). Auf Anfrage erklärt Andreaes Sprecherin, dass es für die dreifache Mutter nicht immer möglich sei, an allen Abstimmungen teilzunehmen; einige fänden nach 23 Uhr statt – dies sei „nicht familienfreundlich“. Bei namentlichen Abstimmungen immer anwesend waren der CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Schwarzwald-Baar, Thorsten Frei, sowie Heinz Wiese, Alois Gerig, Markus Grübel (alle CDU) und Annette Sawade (SPD).

CDU und SPD disziplinierter bei Abstimmungen

Im Schnitt sind Abgeordnete der Südwest-Landesgruppen von CDU und SPD disziplinierter, wenn es darum geht, Präsenz bei namentlichen Abstimmungen zu zeigen. Die Ausnahme von der Regel: Abgeordnete, die gleichzeitig Mitglied der Regierung sind. Mit einer Abwesenheitsquote von 37 Prozent fehlte Wolfgang Schäuble – Finanzminister und seit 45 Jahren Direktkandidat im Wahlkreis Offenburg – zwar seltener bei Abstimmungen als Sigmar Gabriel (79 Prozent) und Angela Merkel (76 Prozent), war aber doppelt so häufig abwesend wie sein bayerischer Unionskollege und Entwicklungsminister Gerd Müller aus dem Wahlkreis Oberallgäu (18 Prozent).


Disclaimer: Die Zahlen sagen nichts über die inhaltliche Qualität der Arbeit von Abgeordneten aus. Nur weil jemand seinen Namen regelmäßig auf in der Fraktion kursierende Anträge setzt, ist er nicht automatisch fleißiger als andere. Hinzu kommt, dass die großen Regierungsfraktionen, Union und SPD, in ihren Anträgen und Kleinen Anfragen keine Abgeordneten-Namen mehr nennen. Leere Bänke im Plenum sind zudem nicht zwangsläufig ein Hinweis auf Faulheit oder mangelndes Demokratieverständnis. Anders als etwa im britischen Unterhaus leisten Abgeordnete im Bundestag einen großen Teil ihrer Arbeit dort, wo keine Fernsehkameras stehen: in Ausschüssen, Fraktionssitzungen und Arbeitsgruppen.