Datenanalysen zur Kommunalwahl

Kommunalwahl in Karlsruhe

Die SPD ist eine Arbeiterpartei, die Grünen sind jung und weiblich und die Parlamente voller Juristen – soweit die Klischees. Aber stimmen die Vorurteile über Politik im Allgemeinen und die Karlsruher Kommunalpolitik im Besonderen? Das waren zentrale Fragen, die ich mir vor meiner Datenanalyse der Karlsruher Kommunalwahllisten mit insgesamt 945 Bewerbern stellte (Darstellung nach Relaunch fehlerhaft).

Sieben Erkenntnisse aus dem Kandidaten-Check

  1. Der Durchschnittskandidat heißt Michael, ist 52 und Ingenieur.
  2. Die jüngste Liste hat die PARTEI, die älteste die AfD. Deren Liste besteht zu einem Drittel aus Rentnern.
  3. Die PARTEI stellt die wenigsten Frauen auf, die Karlsruher Liste (KAL) die meisten.
  4. Juristen und Ärzte sind – anders als auf den Landeslisten – in der Minderheit.
  5. Die SPD hat auf den ersten 20 Listenplätze nur drei Nicht-Akademiker.
  6. Die CDU versteckt ihre Frauen auf den hinteren Plätzen.
  7. Die AfD, die bei ihrer Gründung als Partei der Wirtschaftsprofessoren galt, hat weniger Bewerber mit Doktortitel als FPD und SPD.

Außerdem habe ich eine eigene Web-Anwendung entwickelt, die ich zusammen mit Kollegen befüllte, als am Tag nach der Wahl die ersten Ergebnisse aus den badischen Gemeinden veröffentlicht wurden.

Eine umfangreiche Analyse der Karlsruher Wahlergebnisse nach Stadtteilen habe ich ebenfalls noch am 27. Mai durchgeführt – zusammen mit einer Kurz-Analyse der Stimmen, die in der AfD-Hochburg Pforzheim abgegeben wurden.

Fünf Erkenntnisse aus der Karlsruher Wahlanalyse

  1. Die Grünen sind in den teuersten Stadtteilen Volkspartei.
  2. In Oberreut, dem Stadtteil mit der höchsten Arbeitslosenquote und den meisten Sozialhilfeempfängern, landet die AfD auf Platz eins.
  3. Die Wahlbeteiligung war mit 37 Prozent in Oberreut am geringsten, im Stadtteil Hohenwettersbach mit 75 Prozent am höchsten.
  4. Je höher der Männeranteil in einem Stadtteil, desto mehr Stimmen bekam die PARTEI.
  5. Erst- und Zweitwähler wählen vor allem grün.

So haben die Bewerber reagiert

Reaktionen kamen sowohl von Lesern, die sich überrascht zeigten, dass die Badischen Neuesten Nachrichten Datenvisualisierungen veröffentlichen, als auch von den Kandidaten, die die teils wenig schmeichelhaften Ergebnisse auf Twitter kommentierten:

Im Namen des Kreisverbands Stellung genommen hat die AfD. Diese erklärte sich den geringen Frauenanteil damit, dass ihre Kandidaten mit „Beschimpfungen, Bedrohungen und der Beschädigung ihrer Autos und Wohnhäuser rechnen [müssen]. Wieviele Frauen sind bereit, sich das anzutun?“ Offenbar ein Anhänger der ebenfalls von Männern dominierten PARTEI wunderte sich, „warum bei der Aufstellungsversammlung die meisten anwesenden Männer kandidiert haben, aber von den anwesenden Frauen vielleicht die Hälfte.“ Ein CDU-Bewerber nahm den Durchschnittskandidaten Michael, 52, Ingenieur, zum Anlass für eine humorvolle Wahlwerbung: „Dirk, 42, manchmal durchschnittlich, manchmal nonkonform und wählbar auf Listenplatz 44 der CDU.“

91.000 Unique Users innerhalb weniger Tage

Das Paket ist bis heute einer der meistgelesenen Inhalte auf bnn.de. Zwischen Mitte und Ende Mai 2019 verzeichneten die Artikel 91.000 Unique Users – das entspricht knapp 10 Prozent des gesamten Traffics in diesem Monat. Mit rund sechs Minuten (Google Analytics) hatte die Auswertung der Kommunalwahllisten zudem eine überdurchschnittlich hohe Verweildauer.